Key Take-Aways
Arbeitgeber sind in der EU rechtlich dazu verpflichtet, Zeiterfassung anzubieten.
Wenn Sie “Zeiterfassung” hören, müssen Sie womöglich an Lochkarten oder Chipkarten am Eingang von Bürogebäuden denken. Etwas lästig, sich ständig ein- und auszuloggen - gerade weil der Eindruck entsteht, der Arbeitgeber wolle seine Mitarbeiter:innen hinsichtlich der abgeleisteten Arbeitszeit kontrollieren. Solche Assoziationen gehören allerdings der Vergangenheit an. Vielmehr sollte Zeiterfassung als ein Instrument der verantwortungsvollen und nachhaltigen Personalführung und als Mitarbeiter Benefit gesehen werden, denn insbesondere im Kontext von neuen und flexiblen Arbeitsmodellen des New Work verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem. Darüber hinaus sind Arbeitgeber in der EU rechtlich dazu verpflichtet. In diesem Artikel wollen wir Ihnen einen Überblick über die aktuelle Rechtslage sowie Tipps zur Umsetzung im eigenen Unternehmen geben.
Zur aktuellen Rechtslage
Im Mai 2019 hat der Europäische Gerichtshof ein für alle EU Mitgliedsstaaten bindendes Urteil ausgesprochen, dass Arbeitnehmer:innen ihre Arbeitszeit erfassen müssen. Dieses Urteil ist zunächst rein objektiv und legt den Grundstein für einen gemeinsamen europäischen Standard zum Arbeitsschutz. Bei der Umsetzung dessen sind die einzelnen Länder gefragt. Wie dies geschehen soll, ist Auslegungssache. Es kann also in konventioneller Form erfolgen oder mittels neuester digitaler Technologien.
Bislang wurden in Deutschland noch keine rechtlichen Maßnahmen ergriffen und das geschieht wohl auch vor der Bundestagswahl nicht mehr. Zu unterschiedlich sind hier die Interessen des Arbeitsministeriums und des Wirtschaftsministeriums. Es bleibt also weiterhin ein offenes Thema für die Politik in Deutschland, um eine einheitliche rechtliche Regelung zur Umsetzung des europäischen Standards zugunsten des Arbeitsschutzes zu entwickeln.
Auch wenn es aktuell noch keine flächendeckende Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung gibt, können sich Unternehmen sicher sein, dass diese in der Zukunft kommen wird. Daher ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um sich mit dem Thema Zeiterfassung näher auseinanderzusetzen.
Fehlendes Bewusstsein in Politik und Wirtschaft für KMUs
Interessanterweise sind es gerade jüngere Arbeitnehmer:innen, so Jonathan Martin von ZMI, Software-Anbieter für digitale Zeiterfassungslösungen, die für New Work-Modelle stehen und oftmals gar nicht über dieses Thema Bescheid wissen oder gar ihre Rechte kennen. Es ist total widersprüchlich, dass Zeit für viele von uns im Privaten geradezu ein Heiligtum ist, das wir durch achtsame Lebensführung und Entschleuniger wie Yoga-Retreats und Mindfulness Meditationen pflegen und zelebrieren. Doch im beruflichen Kontext streben wir so sehr nach Erfolg und stetigem Wachstum, sodass wir oftmals viele Überstunden in Kauf nehmen, um diese Ziele zu erreichen. Sicherlich ist es hin und wieder erforderlich, auch einmal etwas mehr zu arbeiten, doch es ist ja allgemein bekannt, dass eine auf Dauer zu hohe Arbeitsbelastung und Überstunden zu Krankheiten wie Depressionen oder Burn-Out führen können. Zugunsten eines gesundes Verhältnisses zwischen Arbeits- und Freizeit sowie beruflichem Erfolg und persönlichen Wohlbefinden wäre es allerdings wünschenswert, Arbeitnehmer:innen egal welchen Alters hätten ein stärkeres Bewusstsein für dieses sensible Thema, so Jonathan Martin.
Auch wenn es auf Bundesebene noch keine einheitliche Regelung gibt, so bestehen aktuell bereits Auflagen für größere und mittelständische Unternehmen mit einem Betriebsrat. Diese schließt natürlich alle kleineren und Firmen ohne Betriebsrat aus, in denen zumeist sehr viele jüngere Arbeitnehmer:innen arbeiten. So hat beispielsweise der Betriebsrat in Unternehmen nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer:innen geltenden Gesetze und Verordnungen durchgeführt werden. Hierzu zählen auch Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes. Konzerne mit Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarungen sind häufig ohnehin aus diversen anderen Gründen dazu verpflichtet, die Arbeitszeit zu erfassen, um zum Beispiel stundenbezogene Zuschläge auszuzahlen.
Umso größer das Unternehmen, desto höher ist also die Wahrscheinlichkeit, dass die Arbeitszeit erfasst wird gemäß der rechtlichen Vorgaben. Ausnahmen bilden lediglich Unternehmen, die dem Mindestlohngesetz oder dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz unterliegen, aus welchem sich jeweils ebenfalls eine Pflicht zur Führung von Arbeitszeitnachweisen ergibt.
Achtung vor Tricks von Arbeitgebern
Wer schon einmal in einer Agentur oder Unternehmensberatung gearbeitet hat, wird diese Tricks vermutlich kennen: Keine Arbeitszeiterfassung, kein Betriebsrat und alle Arbeitsstunden sind mit dem Gehalt abgegolten. Geschäftsreisen sind an der Tagesordnung und Reisezeit ist dabei keine Arbeitszeit, auch wenn man natürlich im Flieger noch schnell die Präsentation fertig machen muss oder im Taxi mit den Kollegen im Büro telefoniert. Auch wenn die aktuellen Regelungen zur Arbeitszeiterfassung für die meisten Agenturen und Beratungen nicht gelten, gilt jedoch unabhängig vomEuGH-Urteil das Arbeitszeitgesetz in Deutschland, das ganz klar vorschreibt, wie viele Stunden maximal pro Woche gearbeitet werden dürfen und welche Pausen- und Ruhezeiten eingehalten werden müssen:
- Höchstarbeitszeit pro Tag 10 Stunden
- Höchstarbeitszeit pro Woche 48 Stunden
- Ruhezeit zwischen den Arbeitstagen von 11 Stunden
Und, halten Sie sich immer an die gesetzlichen Regelungen?
Post-Corona: Bedarfsänderung bei Unternehmen
Die Corona-Pandemie war und ist bekanntermaßen ein Katalysator der Digitalisierung in vielerlei Hinsicht. Aber auch Unternehmen, die schon vorher digital gut aufgestellt waren, mussten teilweise ihre Systeme und Prozesse an die neuen Bedingungen, die mit dem Home Office vieler Mitarbeiter:innen einhergehen, anpassen. So berichtet Jonathan Martin zum Beispiel davon, dass die Nachfrage an digitalen Zeiterfassungstools ungemein gestiegen sei, da Transparenz und Planung gerade im Home Office und mit hybriden Arbeitsmodellen wichtiger geworden sind als noch vor der Pandemie. Digitale Lösungen, wie jene von ZMI, bieten die Möglichkeit, flexibles Arbeiten anzubieten und gleichzeitig die Kernarbeitszeit planbar zu machen. Ein ganz wichtiger Aspekt für Jonathan Martin ist dabei aber auch die Kontrolle über die eigene Arbeitszeit für die Mitarbeiter:innen, da im Home Office tendenziell mehr gearbeitet würde als im Büro. Ein weiterer Trend ist die Digitalisierung von bislang noch analogen Prozessen durch ein ortsunabhängiges und digital verwaltbares Tool. Für diese Unternehmen ist die Umstellung auf digitale Geschäftsprozesse sicher die größte Herausforderung und erfordert zuweilen viel Aufwand. Dennoch zwang die neue, pandemiebedingte Situation viele Unternehmen, nun tätig zu werden. “Bei manchen Unternehmen war es im Home Office sogar schwierig, einen Urlaubsantrag einzureichen”, so Jonathan Martin. Darüber hinaus gab es jedoch wohl auch den Bedarf bei bestimmten Unternehmen, ihre Mitarbeiter:innen im Home Office stärker zu kontrollieren, wenn beispielsweise die Produktivität angezweifelt wurde. Dies ist natürlich ein trauriges Zeugnis darüber, wie manche Unternehmen 2021 in Deutschland (und vielleicht weltweit) immer noch denken und agieren. Diesem unterschwelligem Misstrauen können Mitarbeiter:innen nur mit Kompetenz und Professionalität begegnen, um ihrem Arbeitgeber das Gegenteil zu beweisen. Zahlreiche Studien zum Home Office belegen ganz klar, dass die Produktivität sogar steigt, wenn die Ablenkungen im Büro und Stressfaktoren wie der weite Arbeitsweg fehlen. Lesen Sie mehr dazu in diesem Blogartikel.
“Bei manchen Unternehmen war es im Home Office sogar schwierig, einen Urlaubsantrag einzureichen.”
Jonathan Martin, Geschäftsführender Gesellschafter der ZMI GmbH
Ein Benefit für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen
Im IT-Bereich ist es bereits üblich, die Zeit zu erfassen, und dies als Benefit für beide Seiten anzuerkennen. Eine Stepstone Studie zeigt, dass Zeiterfassung auf jeden Fall auch für alle flexible Arbeitszeitmodelle erforderlich ist und als Mitarbeiter Benefit gewertet werden kann. Und dass wir in Zukunft mit solchen neueren Arbeitsmodellen stärker konfrontiert sein werden, dürfte keine Überraschung mehr sein. So können Mitarbeiter:innen beispielsweise Langzeit-Konten aufbauen und ihre Arbeitszeit in Echtzeit verfolgen und verwalten.
Die Zeiten, in denen Zeiterfassung als lästiges Übel an der Eingangstür wahrgenommen werden, sind also endgültig vorbei. Arbeitgeber können moderne Zeiterfassung selbstbewusst als Mitarbeiter Benefit ausweisen und somit die Transparenz und Mitarbeiterzufriedenheit im Unternehmen stärken.
Empfehlungen zur Umsetzung an Unternehmen
Jonathan Martin empfiehlt Unternehmen, im Zusammenhang mit der Umstellung oder Einführung eines Zeiterfassungstools das Skillset der Mitarbeiter:innen bei der Besetzung und Ressourcenplanung mitzubetrachten. Gerade wenn es eine hybride Mischung aus flexiblen Arbeitsmodellen und regulären Arbeitsmodellen im Team gibt, können an dieser Stelle Reibungen entstehen, wenn Teams zum Beispiel nicht (immer) asynchron arbeiten können, dies aber von einigen Mitarbeiter:innen gewünscht wird, damit sie beispielsweise ihre Kinder betreuen können. Manche Arbeitnehmer:innen lieben “8 to 5”, andere arbeiten lieber flexibler. Damit Sie jedem einzelnen Team gerecht werden und stets den Überblick behalten können, ist der Einsatz einer spezialisierten Software-Lösung ratsam.
Wir bedanken uns für das Interview, Jonathan!
Jonathan Martin ist Geschäftsführender Gesellschafter der ZMI GmbH, einem der führenden Anbieter für Zeiterfassung, HR-Prozesse, Personaleinsatzplanung und Zutrittskontrolle. Er berät langjährig Unternehmen und Organisationen aller Industrien und Größen zum Management von Arbeitszeiten und zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen.
Weitere Informationen über Zeiterfassung, rechtliche Rahmenbedingungen und die Software unseres Partners ZMI erfahren Sie hier
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